Goethes Reisegruppe bestieg den Obersteinberg und erlebte dabei eine beschwerliche und gefährliche Bergtour. Ein Teil der Gruppe meldete sich ab und kehrte vorzeitig zurück nach Lauterbrunnen. Goethe gab zu, dass es ein mühsamer Weg gewesen sei. Bei Regen und früh einsetzender Dunkelheit, von Ferne her das Herniederdonnern von Lawinen in den Ohren, kamen die Wanderer schliesslich in der Nacht in Lauterbrunnen an. Doch auch nach der Rückkehr räumte Goethe keinen Ruhetag ein. Am nächsten Tag ging es gleich weiter.
Wir sind nicht zur Erholung hier, sondern um eine Wanderung durch die Schweiz zu machen.
Einer der bedeutsamsten Gründe für seine Rastlosigkeit bestand in seinen vielen Frauenbekanntschaften (sie wuchsen ihm einfach über den Kopf). Er versuchte davor zu fliehen und wusste, dass er in den Schweizer Bergen Ruhe und Einsamkeit finden würde. In seinen Aufzeichnungen erwähnte Goethe diesen Beweggrund für die zweite Schweizer Reise einige Male und auch in gewissen Gedichten zu jener Zeit thematisierte er ihn.
Goethe und seine vornehme Reisegruppe hasteten unermüdlich durch die Berge, sodass gar keine Zeit vorhanden war, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Entsprechend spärlich fielen Seidels Aufzeichnungen aus.
«Um 1 Uhr waren wir auf der Schwarzwaldalp. Hier sieht man auf der rechten Seite das Wellhorn, Wetterhorn und Engelhorn. Das Wetter war heiter. Wir assen bei den Bauern, was wir mitgenommen hatten.»
1779 erwies sich die Unterbringung einer solch feinen Reisegruppe als schwierig. Denn damals befanden sich die Hotellerie sowie die Gastronomie in dieser Gegend in Kindesschuhen und es gab kaum anständige bis gar keine Zimmer. Wohingegen in den grösseren Orten und Städten bereits Gasthäuser entsprechende Zimmer anboten. Allerdings zeigten sich in ländlichen Gegenden Landvögte, Richter und Geistliche als richtig gute Gastgeber und genossen einen hervorragenden Ruf: «In den frühen Reiseführern fanden im Berner Oberland die Pfarrhäuser von Lauterbrunnen und Grindelwald besonders lobende Erwähnungen.»*
*Quelle: Dr. Roland Flückiger-Seiler, «Tourismus- und Hotelgeschichte im Berner Oberland»
Auf der Schwarzwaldalp steht ein Käsespeicher von 1637. Goethe kam auf dem Weg ins Haslital an genau diesem Gebäude vorbei, das damals schon 142 Jahre alt war. Hierzu vermerkte Goethe in seiner Eile Folgendes: «Solche Käsehäuser ruhten auf hölzerner Unterlage, einige Fuss über der Erde, so dass unten trockene Luft durchstreichen konnte.»
A propos Gebäude: Das Freilichtmuseum Ballenberg ist ein Freilichtmuseum, das mehr als 100 Originale historischer Gebäude aus allen Landesteilen der Schweiz zeigt. Zu Goethes Zeit existierte zwar das Museum noch nicht, aber wohl viele der ausgestellten Häuser, die zum Teil mehrere hundert Jahre alt sind.